Hanna E. Schneider Refugees Displacement Forced Migration Resettlement Researcher

Umfragen: Wie viele Flüchtlinge hätten Sie denn gerne?

Nahezu täglich liefern Medien Meinungsumfragen zur deutschen Asylpolitik. Meist wird gefragt, was die Deutschen über die Aufnahme von weiteren Flüchtlingen denken. Die Ergebnisse sind aber mit Vorsicht zu genießen. Denn sie verzerren die Realität.

Umfragen: Wie viele Flüchtlinge hätten Sie denn gerne?

Blogpost published on migazin.de on March 4, 2015

So stellte die ZEIT im Januar die Frage „Sollte Deutschland in nächster Zeit mehr, etwa gleich oder weniger Flüchtlinge aus islamischen Staaten aufnehmen als bisher?“. Während 37 Prozent aller Befragten der Ansicht waren, dass Deutschland etwa gleich viele Flüchtlinge aus islamischen Staaten aufnehmen sollte, stimmten 35 Prozent dafür, weniger Flüchtlinge aufzunehmen. Einen Monat vorher beleuchtete eine Umfrage für das ARD-Morgenmagazin die generelle Aufnahmebereitschaft von Flüchtlingen in Deutschland für das Jahr 2015. Dabei wurde festgestellt, dass 39 Prozent der befragten Personen die Zahl der aufgenommenen Flüchtlinge für genau richtig hielt, während 22 Prozent für eine geringere Aufnahme von Flüchtlingen plädierte.

Auf den ersten Blick scheint eine solche Umfrage plausibel, fängt sie doch die öffentliche Meinung zu einem hochaktuellen und sehr emotionalen Thema ein. In der Emotionalität der Thematik liegt allerdings auch eine Gefahr: fragte man in die Runde, welche Personen sich hinter dem Begriff ‚Flüchtling‘ verbergen, so wäre die Antwort wahrscheinlich äußerst vielfältig. In der Tat ist das Wort ‚Flüchtling‘ in der Öffentlichkeit zu einem Sammelbegriff für Ausländer geworden, der je nach Bedarf geflüchtete Syrer, Arbeitsmigranten aus Nordafrika oder die viel beschworene ‚Armutszuwanderung‘ beschreibt. Dabei wird die Definition eines ‚Flüchtlings‘ ihres eigentlichen Inhalts beraubt – mit schweren Folgen für die Flüchtlinge selbst, wie die Ergebnisse der verschiedenen Meinungsumfragen zeigen.

Dabei ist der Begriff ‚Flüchtling‘ schon seit mehr als fünfzig Jahren klar definiert: 1951 wurde die international anerkannte Definition in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) niedergeschrieben. Um als Flüchtling nach der GFK anerkannt zu werden, müssen verschiedene Kriterien erfüllt sein. Erstens muss die Person wegen ihrer „Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung“ (GFK, Artikel 1) eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Heimatland haben. Zweitens muss sich die Person außerhalb ihres Heimatlandes befinden und drittens muss es für die Person aufgrund der Furcht vor Verfolgung nicht möglich sein, in das Land zurückzukehren.

Bedenkt man, dass man über Menschen urteilt, die aufgrund von Verfolgung im Heimatland nicht in dieses Land zurückkehren können, bekommt die Frage nach der Aufnahme dieser Personen einen äußerst schalen Beigeschmack. Um es in deutliche Worte zu fassen: kann es moralisch vertretbar sein, Menschen, denen im Heimatland Folter oder gar der Tod drohen, Schutz in Deutschland abzusprechen? In einer Demokratie, die auf Werten wie Solidarität und Menschenrechten beruht, klingt diese Annahme wahrlich anmaßend.

Neben moralischen Zweifeln führt eine Umfrage zur Aufnahmezahl von Flüchtlingen aber auch praktisch in die Irre, da sie eine Wahlmöglichkeit zwischen mehr oder weniger Flüchtlingen assoziiert. In der Realität steht eine Regulierung von Flüchtlingszahlen allerdings in Kontrast zum wichtigsten Element des internationalen Flüchtlingsschutzes: dem Prinzip des Non-Refoulements.

Das Gebot des Non-Refoulements ist ebenfalls in der GFK verankert und stellt sicher, dass ein Flüchtling nicht in Gebiete aus- oder zurückgewiesen wird, „in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde“ (GFK, Artikel 33). Folglich verstoße eine Ausweisung von Flüchtlingen aus Deutschland gegen internationales Recht. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière betonte in einem Interview Anfang Februar, dass man die Zahl von Asylbewerbern, deren politische Verfolgung anerkannt ist, nicht steuern – und somit auch nicht begrenzen – kann (Deutschlandfunk, 8.02.15).